Aktuelle Herausforderungen der Bau- und Immobilienwirtschaft – eine Analyse mit (Be-) Wertung

Gestiegene Herstellungskosten, mangelnde Fachkräfte, erhöhte Zinsen, Kreditinstitute, die sich überwiegend von einem Teil Ihres volkswirtschaftlichen Auftrages verabschiedet haben, stagnierende Kaufbereitschaft der Investoren, eine Vielzahl von Kaufrückabwicklungen, eine gestiegen Risikoaversität der Projektentwickler, Baustopps, unverhältnismäßige Bürokratisierung u.v.m.
Dies ist der aktuelle Sachstand und die blanke Realität in einer der größten Wirtschaftsbranchen des Landes – befinden wir uns in einer Krise?

Die vorangegangene Aufzählung über die Lage am Bau zeigt die Komplexität und Multiinterdisziplinarität, die es sowohl seitens der Wirtschaft als auch auf politischer Ebene zu lösen gilt. Die Bau- und Immobilienwirtschaft steht derzeit vor einer Vielzahl von Herausforderungen, die sich auf die gesamte Branche auswirken und zu erheblichen Unsicherheiten und Anpassungsbedarfen führen.

Eine der größten Herausforderungen sind die stark gestiegen Baukosten. Diese Kostensteigerungen sind unter anderem auf gestiegene Lohnkosten aufgrund einer vorübergehenden, deutlich überdurchschnittlichen Inflationssteigerung, aber auch die Kostensteigerung in der Materialbeschaffung zurückzuführen. Bauunternehmen sind hier teils die Hände gebunden und müssen einhergehend höhere Preise bei deren Auftraggebern aufrufen, um wirtschaftlich zumindest kostendeckend auf dem hart umkämpften Markt bestehen zu bleiben. Die Baukosten machen in der Regel 60- 70% der Gesamtkosten eines Projektes beziehungsweise Bauvorhabens aus, weswegen Auftraggeber selbstredend auf diese Kostenpositionen ein starkes Augenmerk legen und sich einhergehend in schweren Verhandlungen und Marktsondierungen mit den ausführenden Gewerken befinden. Dies macht viele Bauprojekte teurer, was sich dann in den Verkaufspreisen pro Quadratmeter Wohnen und Gewerbe widerspiegelt. Zwar besteht die Möglichkeit, günstig zu bauen, jedoch ist hier Vorsicht geboten, da dies sich oftmals dann in der Qualität der Ausführung offenbart. Die Verwendung von mangelhaften oder nicht anwendungsgerechten Materialien und der Einsatz von nicht ausreichend qualifizierten und verlässlichen Fachkräften führen zu oft dazu, dass die Bauzeiten sich stark verlängern und viele Mangelbeseitigungen notwendig sind. Ob dadurch wirklich günstiger oder effizienter gebaut wird, ist fraglich – allenfalls sind die Nerven der Auftraggeber und die Geduld der Käufer strapaziert. Weiterhin erfordert energieeffizientes und bedarfsgerechtes Bauen und Wohnen eine höhere Qualität, die ihren Preis hat. Nicht zu vergessen die Nachhaltigkeit. Die Nachfrage nach energieeffizienten und nachhaltigen Gebäuden steigt, was neue Planungs- und Bauansätze erfordert.

Im Bereich der Fachkräfte befindet sich die Branche wie seit langem in einer schwierigen Situation. Die Attraktivität, Anerkennung und Wertschätzung der Ausübung eines handwerklichen Berufes ist nach wie vor nicht gegeben, weswegen der Zuwachs an gut qualifiziertem Personal in den Bauunternehmen gering ist.

Das Zinsniveau ist für die Branche deutlich zu hoch. Dies bewirkt, dass Investoren eine zurückhaltendere Kaufbereitschaft entwickeln und Erschwernisse in der Kapitalbeschaffung bei finanzierenden Kreditinstituten oder anderen Kapitalgebern für Investitionen in Bau- und Immobilienprojekte erfahren. Diese Marktschwankungen und wirtschaftlichen Unsicherheit führen gegenwärtig zu zurückhaltender Investitionsbereitschaft aller Protagonisten (Kapitalgebern, Investoren, Privatkunden), sodass eine für die Branche eigentlich übliche gesunde Risikoaffinität beinahe komplett verschwunden ist. Vor allem Kreditinstitute jeglicher Art sehen primär deutlich höhere Risiken, als aus unternehmerischer Sicht gegeben und verweigern sich nahezu jeglicher Chancenbetrachtung.

Ebenfalls werden die Stimmen immer lauter, dass primär im Bereich der Baurechtschaffung und Erhalt von Baugenehmigungen zu Vorhaben die Bürokratisierung verschlankt werden muss. In den letzten Jahrzenten hat sich ein komplexer Verwaltungsapparat aufgebaut, der schon seit längerem dem Bedarf der schnellen und effizienten Bearbeitung nicht hinterherkommt. Dies ist durch die Vielzahl an Auflagen und gesetzlichen Bestimmungen bestärkt – man unterliegt am Bau einer regelrechter „DIN-Flut“. Es ist unbedingt von Nöten, dass auch in der Verwaltung die Kapazitäten und die digitale Infrastruktur für die Bearbeitung baurechtlicher und baugenehmigungstechnischer Themen geschaffen wird. Dann könnten entsprechende Prozesse schneller und effizienter bewältigt werden. Hierbei bietet die Digitalisierung einerseits große Chancen, dennoch viele kleine und mittelständische Betriebe stehen vor der Herausforderung, die nötigen digitalen Kompetenzen zu entwickeln und in ihre Prozesse zu integrieren. Die anfangs genannten gesetzlichen Rahmenbedingungen beeinflussen maßgeblich die Rentabilität von Bau- und Immobilienprojekten. Da die Endbürokratisierung nun schon seit vielen Dekaden und Regierungszeiten immer wieder als Ziel ausgerufen wurde und wird, die diesbezüglichen Ergebnisse jedoch mehr als überschaubar sind, schwindet auch hier die Zuversicht in Besserung.

Befinden wir uns in einer Krise? Die Anfangsfrage kann so nicht beantwortet werden. Langjährige Akteure des Bau- und Immobilienmarktes wissen, dass auch diese Branche Zyklen hat, die immer wieder durch die Faktoren-Diversität in ihren Amplituden und Intervallen beeinflusst wird. Der vorgenannte den Anschein erweckende Pessimismus kann durch bereits eingetretene Ereignisse und Handlungen zumindest in Teilen entkräftet werden.

Ende des letzten Jahres 2023 bis Ende des zweiten Quartals 2024 haben sich in vielen Bereichen die Baukosten zumindest stabilisiert. Zwar befinden sich diese auf einem zum Teil deutlich höheren Niveau als in der Vergangenheit, jedoch hat die Volatilität abgenommen und somit eine bessere Kalkulationsbasis für Projektentwickler und Bauherren ergeben. Durch aktivere Werbe-Kampagnen für die Ausübung eines handwerklichen Berufes und die teils notwendige Relativierung einer akademischen Laufbahn, ist ein langsamer, aber stetiger Anstieg in den Ausbildungsstätten möglich. Des Weiteren können Fachkräfte aus dem Ausland durch gezielte Fort- und Zusatzausbildungen die notwendige Qualifikation erhalten. Wenn dann noch Sprachkurse – gegebenenfalls vom Land oder dem Arbeitgeber angeboten – stattfinden, sind wichtige Voraussetzungen für eine effiziente Zusammenarbeit gegeben. Das Zinsniveau nimmt seit geraumer Zeit langsam ab und wird sich hoffentlich – ähnlich wie die Baukosten – voraussichtlich auf ein wirtschaftlich vertretbares Niveau bewegen. Einhergehend ist ein Einpendeln der Inflationsrate zu erwarten. Somit wären die Kapitalgrundvoraussetzungen für Investoren und Projektentwickler gegeben, in neue Vorhaben zu investieren – sofern die Kapitalgeberseite auch wieder die Chancen sieht. Ebenfalls ist eine zwar langsame aber erkennbare Umstrukturierung in der Verwaltung zu erkennen. Somit sollte hier eine Effizienzsteigerung zu erwarten sein, sodass die notwendige Geschwindigkeit für baurechtliche Angelegenheiten gegeben ist. Jedoch ist und bleibt auch hier der „Wille zum zielführenden Handeln“ der beteiligten Menschen der entscheidende Faktor.

Diese Herausforderungen erfordern ein hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Innovationskraft aller.
Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft ist notwendig, um langfristig stabile Rahmenbedingungen in allen Bereichen der Bau- und Immobilienbranche zu gewährleisten.
Uneitle, pragmatische und entideologisierte Teamarbeit aller Beteiligten der Bau- und Immobilienwirtschaft sowie der Gesellschaft als Ganzes ist jedoch die Grundvoraussetzung um den Motor wieder in der Intensität „anzuschmeißen“, die es bedarf, um dem seit langen Zeiten immer wieder ausgerufenen Wohnbauziel wenigstens etwas näher zu kommen.

– Martin A. Müller – 

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